Sehr geehrte Familie Funcke, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

liebe Ehrengäste, liebe Schüler, liebe Eltern, liebe Kollegen,

Mein erster Dank gilt natürlich der Familie Funcke: Im Grunde wundert es mich jetzt noch, dass vor uns keine andere Schule in Hagen diese Idee hatte. Also bin ich froh, dass Sie solange auf uns gewartet haben, bis wir fragten.

Liebe Gäste,

Sie haben es eingangs bei der Begrüßung gesehen und gehört: Deutschland im Jahre 2015 ist ein Einwanderungsland. Die Älteren unter uns wissen, dass das immer schon so war. Nur war es früher verpönt, es auch auszusprechen.

Betrachte ich meine eigene Familiengeschichte, so sehe ich einen Urgroßvater, der 1875 im Sudetenland zur Welt kam: als Österreicher und als Katholik. Vor etwas über hundert Jahren wanderte er aus. Nicht weil er verfolgt wurde, sondern weil er auf der Suche nach Arbeit und Wohlstand war. Heute würde man ihn abschätzig einen Wirtschaftsflüchtling schimpfen oder höflicher einen Arbeitsmigranten nennen. 1955 starb er: als Deutscher und als Protestant, gerade noch rechtzeitig, um zu erleben, wie sein Enkel als erster in der Familie studieren konnte.

Auch wenn sich sein Traum also erfüllte, weiß ich aus Familienerzählungen, dass die Willkommenskultur damals eher schwach ausgeprägt war. Daran hat sich einiges zum Positiven verändert. Das ist unter anderem der unermüdlichen Tätigkeit unserer Namenspatronin Liselotte Funcke geschuldet.

Liselotte Funcke war eine Politikerin, Mitglied der Freien Demokratischen Partei. Der ein oder andere wird vielleicht fragen, wer heutzutage noch auf die Idee kommt, eine Schule nach einer Politikerin zu benennen.

Zum einen: Politik und Politiker in Deutschland sind im Allgemeinen besser als ihr Ruf. Da geht es Politikern nicht anders als Lehrern.

Zum anderen: Liselotte Funcke war nicht Irgendeine. Sie gehörte einer Generation an, die in jungen Jahren gezwungen war, schonungslos in den Abgrund zu blicken. Schon vor dem 8. Mai 1945 lag dieses Land selbstverschuldet in Trümmern: physisch, psychisch und moralisch. Liselotte Funcke hat daraus für sich eine wichtige Lehre gezogen: selber politisch aktiv zu werden, selber zu handeln statt behandelt zu werden.

Konsequent setzte sie damit eine Forderung um, die einer ihrer politischen Vorväter als gesellschaftlich notwendig beschrieben hatte: Max Weber hatte gefordert, dass es den Beruf des Politikers geben müsse, dessen Hauptaufgabe es sei, dicke Bretter zu bohren. Und ja, wir alle wissen: Die Integrationspolitik in Deutschland ist ein besonders großer Balken.

Sich einzumischen mit eigenen Ansichten und Überzeugungen, sich einzubringen mit eigenen Talenten, sich für das Gemeinwohl verpflichten zu lassen durch die Übernahme auch unbequemer Ämter – das war Liselotte Funckes: Stark in der Sache und meist milde in der Art. Zu ihrem Verständnis von Freiheit in Verantwortung gehörte es, sich freiwillig zu engagieren.

Nach ihrer Zeit als klassische Parteipolitikerin setzte sie sich als Ausländerbeauftragte für jene ein, die über keine Lobby verfügten: Für die Menschen, die nach Deutschland einwanderten, um sich hier eine Existenz aufzubauen. Und da ein Zeitgenosse so treffend analysierte: „Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kamen Menschen“, mahnte Liselotte Funcke bereits 1982 ein Konzept für eine gesteuerte Einwanderung an, nebenbei auch das kommunale Wahlrecht für Ausländer und die doppelte Staatsbürgerschaft. Die aktuelle Diskussion in Berlin zeigt, dass wir 33 Jahre später fast soweit sind.

Mit Blick auf Frankreich kann ich nur sagen: Es wird auch Zeit. Denn wichtig ist auf Dauer, dass die Integration neuer Bundesbürger nicht nur in den Reihen der Fußballweltmeistermannschaft gelingt, sondern auch dort, wo Deutschland seine natürlichen Ressourcen hat: bei der Bildung. In diesem Bereich hat dieser Standort eine gute Tradition begründet. Die scheidende Ganztagshauptschule Remberg hat vorbildliche Arbeit für ganz Hagen geleistet – wofür ihr entsprechender Dank gebührt.

Ich denke, Liselotte Funcke würde es deshalb auch gutheißen, wenn Sie sähe, dass in den Klassen 5 Rot, 5 Blau und 5 Gelb 77 Schülerinnen und Schüler, deren Eltern und Großeltern aus vielen verschiedenen Ländern stammen, in deutscher Unterrichtssprache lernen und dabei ihre nationale, kulturelle oder religiöse Herkunft nicht als Makel empfinden müssen.

Liselotte Funcke wusste aus eigener Anschauung, dass Demokratie nicht gelingt, wenn sie nur verordnet wird. Demokratie muss erlernt, geübt und gelebt werden. Dies gilt nicht nur für das Aushalten von Meinungen, das Aushalten von Widersprüchen und das Aushalten von Abstimmungsniederlagen. Auch sich selbst als Individuum und sich als Gruppe effizient zu organisieren und dabei für einen friedlichen Ausgleich der Interessen zu sorgen, kann erlernt werden – muss erlernt werden. Als Schule mit Teamorientierung wollen wir gerade mit den Klassenratsstunden unseren Beitrag dazu leisten. Uns Pädagogen bleibt dann immer noch reichlich Unterrichtsarbeit, da die nächste Pubertät, die nächste Lernstandserhebung und die nächste Zentrale Prüfung ganz von alleine kommen.

Auch Sie, liebe Gäste, können Ihren kleinen Beitrag zum Gelingen der Integration und zum Gelingen dieser Schule leisten: Unser Förderverein freut sich über jedes neue Mitglied!

Und da nun von Freude die Rede war, können wir guter Hoffnung zu Beethoven und seiner Ode schreiten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

 

Christian Pfefferer am 23.03.2015